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Brennnesselfaserseminar in der Schweiz

Am 25. November 2017 trafen sich zehn Frauen in Biel, um gemeinsam auszuprobieren, wie in handwerklicher Weise Brennnesselfasern gewonnen werden können. Ich habe dort meine Experimente der Faserherstellung für dieses Seminar vorbereitet und Atreja war die Gastgeberin, die durch weitere geschichtliche und rituelle Inhalte das Seminar auf besondere Weise ergänzte. 

 

Es regnete bei der Brennnesselernte, sodass die Brennnesseln sehr feucht waren. Am Waldrand fanden wir Brennnesseln von gut 1,50 m Höhe. Wir machten Proben, welche Art von Brennnessel am einfachsten von den Fasersträngen am Rand gelöst werden können und stellten fest, dass sehr große und holzige Brennnesseln weniger gut geeignet waren als kleinere biegsame Pflanzen. Wir haben die Seitentriebe der Brennnessel mit der Gartenschere abgeschnitten und ein Bündel der Stängel in unsere Werkstatt getragen. 

 

Bis zur Mittagspause, haben wir angefangen, die Fasern von den Stängeln zu ziehen. Gestärkt mit einer leckeren Kürbissuppe mit „Brennnesseltopping“, Brot und Brennnesseltee, ging es bald weiter. Wir stellten große Unterschiede bei der Beschaffenheit der Stängel fest. Manche waren kaum zu „schälen“, andere ließen sich leicht und zusammenhängend abziehen. Wir probierten, aus den noch feuchten Fasern eine Kordel zu drehen, um nachher zu sehen, wie sich der Faden im trockenen Zustand zusammenzog. Bis zum Abend wurden dann noch Fasern abgezogen. Dieses wurde gar nicht langweilig, da die Arbeit absolut entspannend, fast meditativ wirkt. Wir konnten uns gut vorstellen, wie in früheren Zeiten die Frauen an den Winderabenden in einer entspannten und fröhlichen Verbundenheit zusammen Handarbeiten in dieser Art herstellten.

 

Einen Teil der Fasern legten wir zum Trocknen auf die Heizung, einen anderen Teil haben wir mit einer Seifenlauge gekocht, damit sich die Fasern besser von den holzigen Resten trennen. Gut drei Stunden ließen wir die gebündelten Fasern in der Lauge köcheln, haben sie dann abgespült und bis zum Morgen noch im Wasser belassen. Am Sonntagmorgen ging es dann nach einem erneuten informativen und verbindendem Kreis zur Einstimmung weiter. Bei den gekochten Fasern haben sich im feuchten Zustand die Holzreste ganz einfach vom Faserbündel getrennt, die feuchten Faserbündel waren jedoch wenig reißfest, sodass wir sie noch zum Trocknen aufhängten. Die Faserstränge vom Vortag, die wir nicht ausgekocht hatten, waren nun alle getrocknet und konnten weiter aufbereitet werden. Dann fing es Draußen an zu schneien und uns fiel das Märchen von Frau Holle ein, in dem Goldmarie feines Garn spinnt und bei Frau Holle die Kissen ausschüttelt. Währenddessen haben wir weitere Holzreste abgezupft, auf dem Hosenbein oder in der Hand die Faserstränge gedreht oder an der Tischkante vorsichtig gerieben 

 

Mit einer feinen Handkarde, Pflanzenkarde, Katzenbürste oder auch mit einer Feilenbürste wurden die Fasern noch feiner gekämmt und von bastartigen Bestandteilen der Pflanze gesäubert. Bis zum Mittag hatten wir schon ein paar glänzende, weiche und schöne Fasern beisammen und trotz der geringen Menge war jeder glücklich mit den so besonderen glänzenden Fasern. Uns fielen weitere Märchen ein, wie zum Beispiel Rumpelstilzchen: Eine Bauerstochter spinnt dort Stroh zu Gold. Auch unsere Fasern waren uns sehr wertvoll geworden. Zu Mittag gab es dann Ofengemüse und einen ausgesprochen leckeren Brennnesselpesto dazu. 

 

Dann ging es bald weiter: wir testeten die ausgekochten Fasern nach dem Trocknen. Diese waren weniger grünlich und weniger glänzend als die ungekochten Fasern und auch nicht ganz so stabil. Wir vermuteten, dass das anhaftende Chlorophyl beim Kochen und anschließendem Trocknen die Fasern brüchiger macht. Bis zum Nachmittag wurde dann noch an den Fasern gerupft, gezupft, gedreht und gekämmt. Wir erfuhren, dass nur Könige die feinsten Brennnesselstoffe trugen, dass diese leicht und seidig waren. Weitere Märchen fielen uns ein: Die Geschichte von den sechs Schwänen erzählt von der magischen Kraft der Pflanze und der Faser. Die Brennnessel hilft uns ganz im „Hier und Jetzt“ zu stehen, aufmerksam und bewusst zu sein. Dann wurden die Spindeln ausgepackt. Ich zeigte, wie auch Anfängerinnen mit dem Verspinnen zurechtkommen. Mit der „Park-and-Draft-Technik“ (Parken und Ausziehen) können auch ungeübte einen feinen Faden spinnen. Glücklicherweise waren zwei Teilnehmerinnen, Sandra und Anna ausgebildete Handspinnerinnen, sodass wir erfahren durften, wie sich die Brennnesselfaser im Vergleich zu Hanf oder Flachs verhält. Unsere Fasern waren ähnlich wie Flachs zu verspinnen. 

 

Sandra konnte ihre Fasern sogar gut mit dem Spinnrad verspinnen und verdrillen. Auch Atreja versuchte sich am Spinnrad mit ihren Fasern, wobei sich zeigte, dass es doch einiger Übung bedarf, um feine Fäden daraus zu spinnen. Deutlich wurde, je besser die Fasern vorbereitet sind, desto besser ging das Spinnen an der Handspindel oder am Spinnrad.

 

Aus den kurzen Faserresten hat Anna noch einen gedrillten Faden hergestellt. Die Stoffe aus diesen ausgekämmten, kurzen Faserreste nennt man Werg. Wie wir erfuhren, galten sie als weniger wertvoll, der Faden war aber auch sehr weich, nur etwas ausgefranster. 

 

Aus den Fäden entstanden dann noch ein paar geknüpfte oder geflochtene Bänder, die wir glücklich um die Handgelenke gebunden haben. Wir stellten kleine Proben zusammen, um unsere Arbeitsschritte und Ergebnisse zu vergleichen. Anna und Sandra wollen im Verband der Handspinnerinnen in der Schweiz ihre Erfahrungen weitergeben. Wir hoffen auf ein weiteres Wachsen des handwerklichen Wissens durch einen Austausch interessierter Menschen an dieser so spannenden Handwerkskunst. Es wurde deutlich, dass durch die Handverarbeitung ganz besondere Fasern entstehen.

 

Gut gelaunt und mit einer wirklich neuen Erfahrung sind alle am Abend nach Hause gefahren, wir wollen in „Verbindung“ bleiben, der Faden zueinander ist gesponnen. Einige werden auf jeden Fall weiter experimentieren und wir wollen uns unsere Erfahrungen gegenseitig mitteilen. 

 

Es wird sicher wieder Brennnesselfaserseminare geben, bis Ende Januar werde ich Genaueres dazu sagen können. Vielen Dank an alle Beteiligten!

 

 

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